auf den Spuren von Ute & Dirk Prüter

der Ruhrtal Radwanderweg

… in Bildern

Balkonblick in Erndtebrück
Bild 1/50

… in Worten

Den Ruhrtal Radweg geradelt und dabei 446 Kilometer zurück gelegt, da kann doch was nicht stimmen? Ja, so ist es; die ausgeschilderte Strecke ist nur circa halb so lang, und wir haben uns auch nicht die Mühe gemacht, den Fluss auf UND ab zu fahren. Statt dessen bestiegen wir das Rad kurz vor Siegen, gelangten über Erndtebrück und Bad Berleburg zur Quelle nach Winterberg, folgten von dort aus der Ruhr bis zur Mündung nach Duisburg, und nutzten die Gelegenheit, am Rhein entlang via Düsseldorf den Ausflug Zuhause in Köln enden zu lassen.
An einem Donnerstag Nachmittag, dem letzten im April 2012, dem inklusive ersten Mai, blauem Freitag und Brückentagsmontag ein verlängertes Wochenende bzw. kleinerer Kurzurlaub folgte, starteten Ute und ich, um mit einem Regionalexpress die Sieg entlang die ersten Kilometer bis Niederschelden zu überbrücken. Zwar hätten wir auch noch die ein oder zwei Stationen weiter bis Siegen mit der Bahn zurück legen können, doch wären dann anstelle der Nahverkehrtickets irgendwelche Fahrkarten der Bahn erforderlich gewesen, wonach uns nach den Erfahrungen mit der Mosel Tour 3 Wochen zuvor nicht zumute war. So legten wir die zusätzlichen gut 10 Kilometer auf den Drahteseln zurück, nachdem diese ihren Weg auf den Schultern durch eine Unterführung auf die Straße gefunden hatten. Gerne hätten wir Aufzüge benutzt, um die voll bepackten Räder vom Bahnsteig auf die Piste zu bekommen, aber mangels maschineller Unterstützung gelangten wir so zügig auf Betriebstemperatur, die auch dadurch nicht gesenkt wurde, dass nach der ersten folgenden Kurve aufgrund einer Baustelle eine Umleitung uns steil einen Hügel hinauf führte. Bis zur Ruhrquelle folgten weitere Anstiege, denen zumeist rasante Talfahrten folgten. Dabei ließ uns die Asterei nach Winterberg hinauf entlang der kahlen Skihänge erahnen, was die Benennung des Hügels beeinflusst haben mag. Ansonsten gestaltete sich die Strecke Fluss abwärts als unproblematisch. Der Radweg war gut beschildert und machte das Navi auf dem Lenker nahezu überflüssig, wenngleich ich abermals auf den elektronischen Pfadfinder nicht hätte verzichten wollen. Die Elektronik vermittelte mir ein Gefühl der Sicherheit, auch bei fehlenden Wegweisern auf dem „richtigen“ Pfad zu bleiben, und belohnte damit, jeden Schlenker nachverfolgen zu können. Landschaftlich überwiegend reizvoll verlief die Strecke zumeist in unmittelbarer Nähe des Flusses. Überwogen bis Arnsberg Wiesen und Wälder, so machte sich ab Dortmund die höhere Bevölkerungsdichte bemerkbar. Als amüsant empfand ich die Weihnachtsbaumplantagen bei Meschede. Über lang gezogene Hügel hinweg stand hier nach Jahrgängen getrennt und wie mit dem Lineal gezogen in Reih und Glied ein Tannenbaum neben dem anderen, einzig dazu bestimmt, als Wegwerfartikel spätestens 2 Wochen nach dem Fest der Feste sein Dasein zu enden. Einen unattraktiven Eindruck hingegen hinterließen der Weg nach Siegen hinein, die letzten Kilometer entlang der Ruhr bis zur Mündung in den Rhein, die Strecke aus Duisburg heraus sowie die ausgesuchte Route durch den Neusser Hafen. Triste Industriegelände wie verfallende Fabriken vermittelten den Eindruck, die Drehorte für Schimanski & Co. abzuradeln. Dass die Strecken dem NRW Routenplaner zu entnehmen waren konnte bestenfalls darauf zurückgeführt werden, dass man auf der Straße Markierungen angebracht hatte, dazu gedacht, den Autoverkehr von dem der Radfahrer abzugrenzen.
Bezüglich des Wetters konnten wir voll und ganz zufrieden sein. Dem bewölkten Start folgte ein heiterer Freitag, der Samstag brachte uns einen leichten Sonnenbrand ein, bevor sich wechselhafte Tage anschlossen, an denen ein blauer Himmel mal mehr, mal weniger zu sehen war; weder der leichte Nieselregen am Sonntag noch das nächtliche Gewitter in den Mai nötigen uns dazu, die Regenkleidung auszupacken, lediglich der allabendliche Gang unter die Dusche bescherte uns einen nassen Körper.
Was die Übernachtung anbelangte, so verbrachten wir 3 der 5 Nächte in gemachten Betten. In Erndtebrück, dem ersten Etappenziel, war ohnehin ein Hotelaufenthalt eingeplant; weit und breit existierte kein Campingplatz, und wild zu campen kam für Ute nicht in Betracht; die im Internet ausfindig gemachten Geschichten, am nächsten Morgen feststellen zu müssen, das Zelt auf einer Kuhweide oder einem Truppenübungsplatz aufgeschlagen zu haben, schreckten sie ebenso ab wie die Tatsache, auf den Luxus von Sanitäranlagen verzichten zu müssen. Dass Radfahrer und Wanderer in der ersten aufgesuchten Herberge nur den halben Übernachtungspreis gegenüber dem im Schrank ausgewiesenen Betrag zahlen sollten, freute uns dann ebenso sehr wie das Entgegenkommen, die Räder in der Garage des Hauses unterbringen zu können. Das Zimmer selbst schien zwar kurz zuvor ein Raucher bewohnt zu haben und der nicht funktionierende Fernseher brachte eher die Angestellte des Hauses als uns in Verlegenheit, doch wir mochten nicht klagen. Vor dem Balkon plätscherte der Bach, die Einrichtung war hell und modern und alles gut in Schuss. Ebenso wurden wir von der Küche des Hauses im Gegensatz zu einem Pärchen am Nachbartisch nicht enttäuscht. Diese schienen aus dem Ort zu kommen und waren mit dem, was auf ihrem Teller gelandet war, nicht zufrieden; das Essen sei versalzen, und überhaupt, nach all den vorherigen Besuchen sei man maßlos enttäuscht. Da konnte auch der an den Tisch um Schadensbegrenzung bemühte Koch mit seinen Beteuerungen nichts ändern, dass er sich die Reklamation nicht erklären könne. Wir hingegen genossen nicht nur unser Abendessen, sondern ebenso das Frühstücksbuffet am nächsten Morgen.
Für die folgende Übernachtung bei Meschede hatte ich im Internet einen Campingplatz ausfindig gemacht, der jedoch eine Umrundung der Hennesee Talsperre einschließlich der Bewältigung einiger zusätzlicher Höhenmeter zur Folge gehabt hätte, wonach Ute nicht zumute war, zumal aufgrund vorgerückter Stunde die Schatten immer länger wurden. So erkundigten wir uns im Ort nach einer alternativen Bleibe und bereuten den gefassten Entschluss nicht. Das nobel erscheinende Sporthotel, ebenfalls mit Unterstellmöglichkeiten für die Zweiräder, wartete mit bezahlbaren Konditionen auf und bot Möglichkeiten zum entspannenden Zeitvertreib. Entsprechend suchten wir nach dem Essen den Wellnessbereich des Hauses auf, wo wir es in Sauna und Swimmingpool ruhig angehen ließen. Den Umstand, ohne Badeklamotten angereist zu sein, kompensierten wir damit, nach dem Besuch des Schwitzkastens unverhüllt das Pool für uns allein in Beschlag zu nehmen, um schließlich zu gewohnter Stunde gegen Tagesumbruch auch den zweiten Reisetag entspannt ausklingen zu lassen.
Die Nacht von Samstag auf Sonntag dann verbrachten wir im Bett von Freunden in Unna. Mit Rüdiger, dem Hausherren, und Hubert, einem Nachbarn, waren wir zusammen von Arnsberg aus gemeinsam über Fröndenberg zu dessen Haus geradelt, wo anschließend der Grill entfacht wurde und Birgit, die Dame des Hauses, mit leckeren Beilagen und Nachtisch auf uns wartete. Des Morgens hatte sie unsere Reisebegleiter in Winterberg mit dem Auto abgesetzt, woraufhin die beiden, der eine Hügel aufwärts mit knatterndem Hilfsmotor, der andere ebenso wie wir, die Pedalen kurbelnd, unsere Verfolgung aufnahmen.
Für die letzten beiden Übernachtungen wurde schließlich das Zelt aufgeschlagen. Am östlichen Stadtrand von Essen bezogen wir Quartier auf einem Campingplatz, auf dem sich ebenso die Möglichkeit bot, in einem umgebauten Bauwagen zu übernachten. Nach der Nutzung der arg rustikalen Sanitäranlagen machten wir uns auf den Weg zu einem Biergarten, der uns beim Vorbeifahren aufgefallen war. Die Idee, den Abend auf der Terrasse des mittlerweile eher verwaisten Lokals zu verbringen, verwarfen wir hingegen relativ zügig, nachdem wir genug auf den Gartenstühlen fröstelten; die anschließende Nacht im Schlafsack hingegen blieb ohne Frostbeulen in Erinnerung.
Einen Tag später, es war die Nacht in den Mai, campierten wir am Rhein gegenüber der Düsseldorfer Altstadt. Die Temperaturen waren zwar gemäßigter, dafür jedoch hielt ein Gewitter Ute einige Zeit wach. Ihre Bedenken erwiesen sich allerdings als unbegründet; weder wurden wir vom Blitz getroffen, noch mussten wir im Nassen aufwachen.
Ansonsten ist festzuhalten, dass es sich einmal mehr zeigte, dass ein paar voll bepackte Taschen am Rad unkompliziert dazu beitrugen, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Doch nicht immer ging es um die Fragen nach dem Woher und Wohin. So wurden wir an der Ruhrquelle von spielenden Kindern angesprochen, ob wir nicht die seltenen Steine, die die Juniorgeschäftsleute gefunden hatten, zu horrenden Preisen kaufen wollten. Unser Interesse war nicht zuletzt aufgrund eingeschränkter Transportmöglichkeiten beschränkt. Im Gegenzug schlug ich vor, einen herum liegenden Ast als Hirschgeweih oder Knochen eines prähistorischen Tieres Familienangehörigen anzubieten, doch das Interesse der in ein Buch vertieften Mutter, dafür die geschwungene Relaxliege aufzugeben, war ebenso verhalten.
Es waren aber nicht nur fremde Gesichter, auf die wir trafen. Nach dem Aufbruch bei unseren Freunden in Unna hatten Ute und ich uns für Sonntag Mittag mit meinen Eltern verabredet. Auf der Wiese des Bootshauses am Hengsteysee, einem Stausee im Verlauf der Ruhr zwischen Dortmund und Hagen, dort, wo Gevatters Kajak geduldig auf seinen täglichen Einsatz wartet, ließen wir uns mit Würstchen, Kaffee und Kuchen verwöhnen, bevor wir uns anderthalb Stunden später darauf besannen, dass wir noch einige Kilometer zurück legen wollten.
Auch bei der Ankunft am Hotel in Meschede hatten wir unseren Spaß. So lernten wir dort 4 Radler kennen, die aus ihrer Zuneigung zu in Königsblau auflaufenden Fußballern kein Geheimnis machten. Obwohl wir es aufgrund unserer Herkunft eher mit den, und zu diesem Zeitpunkt durchaus erfolgreicheren, Rivalen aus dem Pott in schwarz/gelb haben, lachten und blödelten wir zusammen. Anlass war die Tatsache, dass die Herren sich dazu entschlossen hatten, die letzten Meter zur Herberge nicht mehr aus eigener Kraft zu bewältigen, sondern statt dessen sich samt fahrbarer Untersätze per Taxi absetzen ließen.
Überwiegend war es aber natürlich schon die Art und Weise von Fortbewegung und Unterkunft, die uns in Kontakt mit unseren Mitmenschen brachte. Auf dem Campingplatz in Essen erinnerten sich unsere Nachbarn an eine Radtour zurück, die sie von Ostfriesland nach Usedom geführt hatte, während ein älteres Ehepaar in Düsseldorf mit dem Kajak unterwegs war, um sich von Köln aus auf eine Reise auf der Weser vorzubereiten. An der Fähre bei Zons über den Rhein schwelgten ebenfalls dort Wartende von den Eindrücken einer Fahrt durch das Altmühltal, während es unterwegs immer mal wieder eine Reisegruppe gab, die von ihren Ausflügen berichtete, ebenso wie der eine oder andere unsere Erlebnisse der Tour nach Barcelona über sich ergehen lassen musste. Was uns im Gegensatz dazu lediglich fehlte, war das Gefühl der Zeitlosigkeit. Die gut 5 Tage waren zu überschaubar, als dass der Hauch von Freiheit und Abenteuer aufgekommen wäre, wie wir ihn kennen und schätzen gelernt hatten. Nichts desto trotz bereuten wir die Entscheidung nicht, gestartet zu sein. Wir waren an der frischen Luft, hatten Bewegung, genossen die Pausen am Wegesrand oder in Biergärten, die Geschichten mit Gleichgesinnten, und erhielten uns den Appetit auf mehr.